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Europäische Entwicklung

 

In Europa wurde seit jeher Kampfsport betrieben, dabei handelte es sich nicht um einen Import der asiatischen Kampfkünste! Die Geschichte der europäischen Kampfkünste verlief jedoch komplett konträr zu den asiatischen. Während man in Asien sie vor allem zur Selbstverteidigung, Charakterfestigung, Geisteserziehung und nur zum Teil in der Kriegskunst nutzte, lag die Hauptbetonung in Europa im Gebrauch auf dem Schlachtfeld, im Duell oder im sportlichen Wettkampf. Schon ca.700 v.Chr. waren Boxen, Ringen und Pankreation feste Bestandteile der Olympischen Spiele! 

Ebenso  maßen sich die germanischen Ritter in ihren Ritterturnieren ständig und verfeinerten ihre Waffenkünste. Hier wird schon deutlich, dass es bei der europäischen Richtung eher um den Zweikampf mit Waffen ging als um den waffenlosen. Erstmals detaillierter erwähnt werden diverse Kampftechniken im 13. - 17. Jahrhundert und sind als die " Historischen Kampfkünste" bekannt.

Sie beinhalten hauptsächlich Kampftechniken mit Blankwaffen ( Handwaffen aus Metall), im Mittelpunkt steht dabei das Fechten und der Umgang mit dem Degen.

In Europa existierten daher auch unterschiedliche Fechtstile - der Deutsche, Französische, Spanische und Italienische.  Hervorzuheben ist aber  die " Deutsche Fechtschule" mit  Johann Lichtenauer. Er war ein begnadeter Fechtmeister und nimmt eine zentrale Stellung in der Geschichte des europäischen Schwertkampfes ein!

Die Lehrverse des Johann Lichtenauer ( Fechtmeister des 14 Jahrhunderts) dominierten über 200 Jahre lang die Fechttechniken und selbst in der heutigen Zeit widmen sich viele Gruppen noch der Rekonstruktion seines Systems!

In der  " Deutschen Fechtschule" wird schon die Entwicklung der Technik aus dem Fühlen heraus - mittels Bindungskontrolle-  als das Wesen des Kampfes bezeichnet! Genau diese Erkenntnis wurde auch auf den waffenlosen Kampf übertragen und findet sich noch heute im europäischen Ringen wieder!

Durch die europäische Expansion im 15. und 16. Jahrhundert kamen die spätmittelalterlichen Waffensysteme (hier insbesondere das Fechten) mit den asiatischen Systemen in Indien und China, durch die Sicherung ihrer Handelswege, in Berührung. Es kann daher stark angenommen werden, dass die im Fechten entwickelte  Zentrallinientheorie mit besonderer Betonung des geradlinigen Angriffs, kreisender Deckungsarbeit, Kontrolltechniken der Arme, das Betonen des " Erfühlen der Technik ", die "Bindungskontrolle" - mittels einer Bindung - mit oder ohne Waffen - eine Kontrolle über den Gegner zu bekommen -  die neueren asiatischen Kampfkünste stark beeinflusst habt.

 

Besonders hervorzuheben ist, dass das heutige WingTsun, WingChun, VingTsun - mit genau den gleichen Prinzipien - erst entstanden ist ( ca. 16 Jahrhundert), als die europäischen Fecht-, Griff-, Faust-, und Haltetechniken in China schon im Einsatz waren!

Liegen die Wurzeln des Freikampfes mit Bindungskontrolle daher nicht in China sondern in Deutschland oder Europa? Wurden die neueren asiatischen Kampfkünste hiervon beeinflusst ? Leider wird man dies nicht belegen können, da es hiervon keine Aufzeichnungen gibt - es ist aber ein interessanter Gedankengang!

 

Mit dem Aufkommen der Schusswaffen im 18. Jahrhundert verloren in Europa die bis dahin gewonnen Erkenntnisse und Fertigkeiten leider ihre Bedeutung und gerieten in Vergessenheit. Ganz anders in China und Japan! Hier war das Tragen von Waffen untersagt und es kam zu einer Blüte der waffenlosen Kampfsysteme mit einer breiten Entwicklung vieler unterschiedlicher Kampfstile

 

Interessante Literatur:

Hils Hans-Peter: Meister Lichtenauers Kunst des langen Schwertes

Carl Schultz&Torsten Verhülsdonk: Talhoffers Fechtbuch

Hergsell Gustav: Die Fechtkunst im 15. und 16. Jahrhundert

Schlürmann Jan: Entwicklungslinien der deutschen Fechtschule im Kontext der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen europäischen Fechtkunst - Jahrbuch 2011 der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Sportwissenschaft e.V (Studien zur Geschichte des Sports Band 14)

Schulz Andre: Mittelalterliche Kampfesweisen Band 1-3

Pfeifer Ralf: Mechanik und Struktur der Kampfsportarten - Handbuch für Trainer in Kampfsport und Kampfkunst